Flüchtlingsaufnahme – eine Gleichung mit vielen Unbekannten
Für das Landratsamt Rastatt bleibt die monatliche Aufnahme von Geflüchteten in den kreiseigenen Gemeinschaftsunterkünften und die Weiterleitung an die Kommunen weiterhin eine sehr dynamische Aufgabe. „Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle, die wir weder vorhersehen noch beeinflussen können“, betont Vera Unser, Leiterin des Amtes für Migration und Integration.
Im Vergleich zu den beiden Vorjahren hat sich die Situation in den Gemeinschaftsunterkünften aktuell entspannt. Insbesondere der in den vergangenen Jahren regelmäßig zu verzeichnende Zugangsanstieg im Frühjahr ist nicht eingetreten. Mit den vorhandenen Kapazitäten kann der Landkreis seine Aufnahmeverpflichtung in den nächsten Monaten erfüllen. 2,5 Prozent der Zugänge in Baden-Württemberg werden dem Landkreis Rastatt zugeteilt. Derzeit sind 883 Plätze vorhanden, davon sind 623 Plätze (70 Prozent) belegt.
Davon befinden sich 215 Plätze in mietzinsfreien Objekten von Bund und Land und 408 Plätze in Objekten mit Mietzinszahlung. Als Puffer stehen dem Landkreis noch weitere 356 Reserveplätze zur Verfügung. „Wir haben einen guten Mix an lang- und kurzfristigen Mietverträgen, sodass wir relativ flexibel reagieren können“, berichtet Unser.
Seit den sehr hohen Flüchtlingszugängen in den Jahren 2022 und 2023 sind bestehende Gemeinschaftsunterkünfte erweitert worden und neue hinzugekommen. Im Frühjahr konnte der Landkreis die entspannte Phase nutzen, um einige Objekte stillzulegen und die Geflüchteten in einigen wenigen Einrichtungen zusammenzulegen. „Dies ist notwendig, um eine Belegung von mindestens 80 Prozent zu gewährleisten und eine vollständige Kostenerstattung vom Land zu erhalten. Bei mietzinsfreien Objekten reicht der Nachweis einer dreißigprozentigen Belegung aus“, so die Amtsleiterin.
Bei den Herkunftsländern der Migranten steht derzeit die Türkei mit rund 40 Prozent an erster Stelle, 17 Prozent kommen aus Syrien, 14 Prozent aus Afghanistan, rund 7 Prozent sind ungeklärt und knapp 4,5 Prozent stammen aus Georgien. 18 Prozent kommen aus weiteren Herkunftsländern. Bei 58 Prozent der Migranten handelt es sich um Einzelpersonen.
In Bezug auf die Planung lässt sich aus der aktuellen Entspannung jedoch kein belastbarer Trend ableiten, da sich das irreguläre Migrationsgeschehen in der EU unverändert auf einem hohen Niveau bewegt, wie das Regierungspräsidium dem Landkreis bestätigte. Unser: „Wir gehen Stand heute davon aus, dass die aktuellen Zugangszahlen nur eine temporäre Atempause darstellen.“ Die Zugangszahlen seit Juni zeigten eine steigende Tendenz und erfahrungsgemäß würden die Zahlen in den nächsten Monaten wieder höher ausfallen.
In den Städten und Gemeinden des Landkreises werden die hohen Zugänge aus den Jahren 2022 und 2023 erst mit einem Zeitversatz von rund zehn Monaten wirksam. Denn acht bis zehn Monate beträgt aktuell die durchschnittliche Verweildauer der Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften, bis das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über die Asylanträge entschieden hat und sie dann an die Kommunen überstellt werden können.
Wie viele Personen eine Kommune zugewiesen bekommt, hängt auch davon ab, wie viele sonstige Personen bei der Verteilung angerechnet werden müssen. So werden etwa die Direktzugänge von ukrainischen Geflüchteten in den Kommunen und sonstige Familiennachzüge berücksichtigt. Vera Unser: „Das ist eine Personenzahl, die wir vorab nicht kennen.“ Eine Prognose über mehrere Monate hinweg wird darüber hinaus auch durch die Entscheidungsgeschwindigkeit des BAMF, die unterschiedliche Verweildauer in den Landesaufnahmestellen je nach Zustrom, die Wirksamkeit von Grenzkontrollen, die Umsetzung der Regelungen des Rückkehrbeschleunigungsgesetzes oder auch neu entstehende Krisenherde und Kriege beeinflusst.
„All das sind nicht beeinflussbare Faktoren, die eine seriöse Prognose für die weitere Zukunft in diesem dynamischen Bereich der Flüchtlingsaufnahme schwer bis unmöglich machen. Dementsprechend müssen auch wir dauernd und spontan auf die sich verändernde Lage reagieren und haben keine langfristige Planungsgrundlage. Das ist tatsächlich eine Gleichung mit vielen Unbekannten“, konstatiert Unser. Aus diesen Gründen trifft das Regierungspräsidium auch keine Aussagen, wie viele Personen in den nächsten Monaten dem Landkreis zugewiesen werden.
Trotz der Unwägbarkeiten stellt der Landkreis zur Unterstützung der Kommunen in jedem Quartal eine Prognose als orientierenden Richtwert zur Verfügung. Hierin fließen die monatlichen Zuweisungsgrößen des Regierungspräsidiums, die jeweilige Belegungssituation in den Gemeinschaftsunterkünften, die Direktzugänge in den Kommunen, die Anzahl der Folgeantragsteller und Flüchtlingen aus Sonderkontingenten sowie die vom BAMF entschiedenen Asylverfahren ein.